Aydin Findikci meint, dass Kopftücher im Sinne der Scharia als Symbol zur Spaltung der Gesellschaft in Gläubige und Ungläubige getragen werden.
Es ist gar keine Frage, dass das Kopftuchtragen weltweit und überall als Teil der Kultur, des Brauchtums, der Tradition sowie als Mode oder Schönheitsmittel der Frauen angesehen wird. Sogar in Bayern tragen viele Frauen aus den genannten Gründen immer noch Kopftuch, ohne sich aber zu verhüllen. Daher ist das Tragen des Kopftuches in diesem Zusammenhang als Teil einer Kultur zu verstehen, und es ist gleichzeitig eine persönliche Entscheidung der betroffenen Personen.
Das Problem ist aber nicht das Stück Tuch, welches aus kulturellen oder traditionellen Erwägungen von Frauen auf dem Kopf getragen wird, sondern die Form, die Art und Weise, wie und aus welchem Grund dieses Kopftuch mit den dazugehörigen anderen Kleiderstücken gemeinsam getragen wird. Daher muss unbedingt zwischen einem ganz normalen Kopftuch als ein Stück Tuch und einem in Turbanform, welches aus einer ganzen Kleiderform besteht, unterschieden werden.
Letzteres hat nichts, aber gar nichts mit der Tradition, der Kultur oder mit dem Brauchtum der Menschen zu tun. Aus diesem Grund soll das Tragen dieses Kopftuches richtigerweise „Turbantragen“ genannt werden. Und dieser Turban hat seine religiösen und politischen Gründe.
So ist zum Beispiel das Kopftuchtragen (Turban) nach einer Aussage des ehemaligen Generalsekretärs der „Islamische Gemeinschaft Milli Görü?“ (IGMG) und des Vorsitzendens des Islamrats, Ali Kizilkaya, „ ein islamisches Gebot“. (hier)
Das Kopftuch als Symbol gegen die laizistische Staatsordnung
Was Ali Kizilkaya und Islamisten als ein „islamisches Gebot“ bezeichnen, wurde erst ab Mitte der 1980er Jahre in der Türkei als ein politisches und islamistisches Symbol gegen die laizistische Staatsordnung und die nationale Einheit der Türkei von religiösen Sekten (z.B. Nur-Bewegung, Süleymanci, Hizbullah etc.) eingeführt. Sie verfolgten das Ziel, die Gesellschaft in „Gläubige (Muslime) und Ehrvolle“ und „Ungläubige (Nicht-Muslime) und Ehrlose“ zu spalten.
Diese Entwicklung schreitet seit dem Regierungsantritt der AKP und ihrem Führer Recep Tayip Erdogan im November 2002 voran und ist auch für Europa besorgniserregend. Und die AKP-Regierung und ihr Führer Recep Tayyip Erdogan fördern das Tragen des Kopftuches (Turbans) weltweit und wollen das Verbot des Kopftuchtragen für Hochschulen und Schulen aufheben.
Das Kopftuchtragen ist mittlerweile nicht nur in der Türkei, sondern auch in Deutschland eine Identifikation mit einer politisch und religiös geprägten Einstellung geworden, die die westlichen Normen und Wertvorstellungen (Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Rechtsstaatlichkeit, Mehrparteiensystem; parlamentarische Demokratie usw.) in Frage stellt.
In diesem Sinne haben Frauen kein Recht , sich als Teil eines Rechtsstaates zu betrachten, wenn sie das „Kopftuch“ wegen ihres „islamischen Gebots“ bzw. wegen ihrer „Religionspflicht“ tragen. Aus diesem Grund ist es absurd und naiv zu glauben, das Kopftuchtragen mit der Religionsfreiheit zu erklären.
Es ist richtig, dass wir in Deutschland nicht nur die Religionsfreiheit, sondern aber auch eine wehrhafte Demokratie haben. Die Religionsfreiheit darf aber nicht zur Verleumdung, Beleidigung, Diskriminierung oder Tötung Andersgläubiger führen. Daher haben wir eine Demokratie, die sich gegen die Gefahren von Innen und von Außen wehren kann und auch muss. Und das Kopftuchtragen (Turban) ist eine Gefahr für unsere Demokratie.
Kopftuchtragen und Ehrenmorde
Viele der Kopftuch tragenden Frauen sind türkische Staatsbürger kurdischer Herkunft, die in der Öffentlichkeit so nicht wahrgenommen werden. Nicht jede Kopftuch tragende Frau aus der Türkei ist unbedingt als eine Türkin zu betrachten. Aus den Gebieten, die hauptsächlich von Kurden und von bildungsfernen Schichten bewohnt sind, kamen mehrere Millionen Zuwanderer nach Deutschland. In diesen Gebieten trägt aufgrund der zunehmenden Islamisierung der türkischen Gesellschaft mittlerweile fast jede dritte Frau ein Kopftuch.
Viele der religiösen Sekten sind im Südosten und im Osten der Türkei beheimatet, weil dort die kurdische Stammeskultur herrscht. Wo die Stammeskultur das Sagen hat, versagt die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und somit auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau. In dieser Stammeskultur der Kurden haben Frauen lediglich die Funktion, den Wünschen und Erwartungen der männlichen Mitglieder der Gesellschaft in jeder Form zu entsprechen.
So werden etwa Frauen, die kein Kopftuch tragen, von den kurdischen und türkischen Islamisten meistens als eine „ehrlose Frau“ bezeichnet. Sie gilt gleichzeitig als „verdorbene Ware“, und ihr Ehemann kann sehr schnell als „Ungläubiger“ oder „Ehrloser“ abgestempelt werden. Frauen, die ihre Jungfräulichkeit verloren haben, können unmittelbar nach der ersten Hochzeitsnacht von ihren Ehemännern wieder ins Elternhaus geschickt werden.
In diesem Fall hat die betroffene Frau die „Ehre der Familien beschmutzt“, die unbedingt wieder hergestellt werden muss. Für die Wiederherstellung der Familienehre wird die betroffene Frau als Opfer ausgesucht. Folglich wird die betroffene Frau von ihrem Familienrat zum Tode verurteilt. Nach dem Beschluss des Familienrates wird diese Frau, weil sie ihre Jungfräulichkeit für ihren Ehemann nicht bewahren konnte, von ihren eigenen Familienangehörigen (Ehemann, jüngste Bruder, Onkel, usw.) getötet.
Diese Art der Bestrafung der Frau wird in Fachkreisen als Ehrenmord bezeichnet. Er ist Teil der kurdischen Kultur und wird ausschließlich von Kurden der islamisch-schaffitischen Glaubensrichtung ausgeführt.
Aydin Findikci lehrt als Soziologe an der Universität München
Quelle: http://www.welt.de
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